Der Anspruch von Hegemoy ist - vorsichtig formuliert - ambitioniert.Das Spiel möchte einen kompletten Staat mit seinen gesellschaftlichen Schichten nachbilden. Die Fraktionen des Spiels sind Arbeiterklasse, Mittelschicht, (Groß-)Kapitalisten und zu guter Letzt der Staat selbst, der versucht im Kampf dieser Klassen untereinander selbst die Kontrolle zu behalten.Es werden Firmen gegründet, Arbeiter eingestellt, Güter und Dienstleistungen produziert, es wird gehandelt, es gibt Arbeitskämpfe und natürlich Streit um die Ausrichtung des Staates. Alle Klassen versuchen, möglichst viel Einfluss auf insgesamt 7 Politikfelder wie öffentliche Dienstleistungen, Wohlfahrtsstaat, Steuerpolitik, Immigration usw. zu nehmen, um diese eher in sozialistische oder neoliberale Richtungen zu lenken.Das klingt nicht nur komplex - das ist es auch! Aber, und nun kommt der wahnsinnige Teil, es funktioniert!Es ist wirklich faszinierend, wie gut das Spiel die Realität abbildet. Ein Beispiel: In einer unserer Runden plünderte die Kapitalistische Fraktion den eh schon geschwächten Staat weiter aus. Die Folge: Der Staat brach zusammen, der IWF (Internationale Währungsfonds) griff ein setzte Änderungen in der politischen Ausrichtung des Staates durch - die großen Verlierer waren am Ende die Arbeiterklasse und die Mittelschicht.Aber wie spielt sich Hegemony nun?Das Besondere ist , dass Hegemony ein asymmetrisches Spiel ist - jede Fraktion hat ein eigenes Regelwerk das den jeweiligen Charakter dieser Klasse/Fraktion gut wiedergibt. Wer "sein" Spiel erfolgreicher spielt erhält mehr Siegpunkte und geht letztendlich als Gewinner dar.Der Witz ist nun, dass natürlich die Geschicke jeder Fraktion untrennbar mit denen der anderen verbunden sind. Beispiel: Ohne das der Kapitalist Fabriken baut kann der Arbeiter keinen Lohn erwirtschaften mit dem er seine Klasse mit Essen, Bildung etc. versorgt. Die Fabriken wiederum produzieren die Güter für den Kapitalisten, die er verkaufen und exportieren kann. Aber hier enden die gemeinsamen Interessen. Für die Arbeiterschaft sind hohe Löhne und preiswerte Dienstleistungen wie Bildung und Gesundheitswesen wichtig. Für den Kapitalisten bedeutet das natürlich mehr Ausgaben und höhere Steuern, womit sich ein offensichtliches Konfliktfeld auftut.Insgesamt ist das Spiel ein Fest für alle Strategen die bereit sind sich in das umfangreiche Regelwerk einzuarbeiten. Und da sehe ich auch schon das Problem mit dem Spiel. Man braucht mindestens einen kompletten Spieldurchgang, um die Funktionsweise der eigenen Fraktion durchschaut zu haben. Doch das ist natürlich nur die halbe Miete. Man muss selbstverständlich auch verstehen vie die anderen Fraktionen funktionieren und wo man Schwachpunkte der anderen Fraktion ausnutzen kann, bzw. wo man auch Synergien mit anderen Fraktionen nutzen kann.Der Einstieg ist mühsam und idealerweise hat man eine feste Gruppe, mit der man viele Runden spielen kann. Jede(r) neue Spieler(in) muss mühsam "an Bord" geholt werden. Des Weiteren benötigt dieses Spiel viel(!) Platz und auch Zeit. Offiziell ist von 90-180 Minuten die Rede. Für eine Gruppe, die sich erst einarbeiten muss kann man den Zeitbedarf locker verdoppeln.Für den ist das Spiel. Wie bereits gesagt, es erfordert viel Einarbeitung, belohnt einen aber auch mit faszinierenden Mechaniken. Wer asymmetrisches Gameplay a la "Root" mag wird sich sofort zu Hause fühlen.Warum gebe ich nicht 5/5 Sterne? Ich persönlich mag Spiele sehr, in denen die Handlungen der Spieler so stark ineinandergreifen. Hier denke ich vor allem an Spiele wie "Brass: Lancashire". Im Vergleich zu diesen Spielen erfordert Hegemony mehr Einarbeitung, ohne dabei aber wirklich mehr Spielspaß zu bieten.